„Als mein Team und ich begannen, eine neue inhaltliche Richtung zu entwickeln, war uns klar, dass wir in unterschiedlichsten Formen zentrale Fragen der menschlichen Existenz sinnlich und spielerisch erfahrbar machen wollten.

In Zeiten knapper Kulturbudgets und der Umverteilung kultureller Aufgaben, die offen oder verdeckt auf eine Ghettoisierung und Eliminierung der Kunst im öffentlichen Leben hinausläuft, können wir uns die Bühne als Nebenschauplatz und persönliche Spielwiese nicht länger leisten. Die Zeit der Randbemerkungen ist vorbei.“


Körper. Raum. Strukturen
Wie Mensch und Masse Mensch gegeneinander Stellung beziehen, wie die Bedürfnisse, Sehnsüchte, Träume des Einzelnen von einer größeren Ordnung aufgesogen und zerbrochen werden, das kann kaum jemand besser ermessen als ein Künstler, der aus dem Reich der Mitte stammt. Es ist der Zwang zur Uniformität, zu Gleichmacherei, ja gedanklicher und emotionaler Gleichschaltung, gegen die jedes der Werke von Xin Peng Wang opponiert. Denn was dabei auf der Strecke bleibt, ist der Mensch als Individuum, ist die Kunst und am Ende eben auch die Gesellschaft als vitaler Organismus.

Das abendländische Denken, das in einem einzelnen Blatt den ganzen Baum erschaut, aus einem Sandkorn den Kontinent entwirft und einen Wassertropfen zum Meer imaginiert, ist Xin Peng Wang fremd. Er betrachtet das Blatt, seine Form, seine Farbe, seine Struktur, wie aus dem Zusammenhang gerissen als gäbe es kein anderes Blatt und keinen anderen Blick darauf außer diesem einem, gerade jetzt.

Tanz. Traum. Sehnsüchte
Xin Peng Wangs Tanzfiguren bewegen sich im Labyrinth ihrer Sehnsüchte. Wangs Kreationen führen diesen Verlust vor. Doch offenbaren sie ihre eigentliche Botschaft erst, wenn der Vorhang gefallen und wir längst nach Hause gegangen sind. Hier in der Sphäre des emotionalen Rückblicks, entfaltet sich eine Schwingung der Dissonanz. Sie erzählt von den Träumen, die uns geprägt haben und dem schönen Schein unserer Fluchtwelten. Wangs Ballette verlieren jedoch nie ganz die Hoffnung auf Erneuerung durch die Begegnung mit dem Anderen auf einer höheren Ebene, nämlich im Labyrinth der Träume.

Das alles müsste uns heute nicht mehr interessieren, wären wir nicht immer noch süchtig nach Märchen, nach Handlungsballetten - nach Stoffen, die uns berühren, uns eine Geschichte enthüllen, hinter deren fremdartiger Fassade wir am Ende vor allem Aspekte des eigenen Selbst erkennen.

Authentizität und Wahrhaftigkeit vor das Primat des schönen Schein setzen. Wer beides kennt - augenschmeichelnde Überwältigungsästhetik einerseits, strikte Wahrheitssuche andererseits - kann das eine tun und muss das andere nicht lassen.

„Mir geht es nicht darum, mit Traditionen zu brechen. Im Ballett ist es wichtig, nie die Basis zu vergessen, auf der die Tanzkunst fußt. Diese Basis ist der Mensch.“